Miteinander mehr bewegen

Als ich mit 24 Jahren das erste Mal 1995 nach Bonn kam, hatte ich bereits ein queeres Köln während meiner Studienzeit erlebt.

Eine befreiende Zeit, nachdem ich im tiefsten Oberbayern irgendwann mit 15 Jahren merkte, dass ich dann doch irgendwie anders als die anderen war. Das ging klassisch los mit einem Verliebtsein in die Sportlehrerin und wurde gefolgt von dem ständigen Gefühl nichts zu den Themen meiner Mitschüler/innen beitragen zu können, weil sich meine Empfindungen in andere Richtungen bewegten, nämlich in das Gleichgeschlechtliche.

Ein ausschlaggebendes Erlebnis damals war, als ich den Biologieduden aufschlug und über das Wort homosexuell stolperte. Die Erklärung stand da schwarz auf weiß, die Erklärung für mich, für mein Sein.

So war ich dann also die Jahre über, durch den Duden testiert, in München und anderen Städten immer mal wieder auf der Suche nach Plätzen für mich. München bot eine alte Kneipe, in der die Besitzerin meine Mutter hätte sein können, ich als Jungspund wurde zwar herzlichst begrüßt, aber irgendwie fehlte mir ein Leben dort.

So stand ich dann auch irgendwann in Bonn. Ich suchte an meinem verregneten Ankunftstag , es war die Zeit als es noch gelbe Telefonzellen gab, im Telefonbuch nach einem homosexuellen Angebot der Stadt. Unter H, unter L … bis ich beim Buchstaben Z – das damalige „Z“ Schwulen-und Lesbenzentrum entdeckte.

Das gut versteckte Zentrum war in meiner anfänglichen Zeit  in Bonn jeden Dienstag die Möglichkeit, in familiärer Atmosphäre „sein zu können“.

7 Jahre später, ich war erfolgreich in einem Großkonzern geworden und lebte mich, kreuzte  ein neuer Begriff aus dem Amerikanischen meinen Weg, dem ich mich zuordnen konnte: Diversity Management.

Damals ergriff ich die Initiative ein Netzwerk im Konzern Deutsche Telekom zu gründen, um auch die Ausprägung sexuelle Orientierung zu belegen. 2002 wurde Queerbeet von mir gegründet und lebt heute noch als großes bundesweites Netzwerk aller Mitarbeiter/innen im Konzern und wurde10 Jahre nach Gründung sogar mit dem Max- Spohr- Preis ausgezeichnet. So bot ich die Chance, auch während der Arbeitszeit das eigene Sein offen leben zu können.

Mir wurde in diesen Jahren immer bewusster, wie wichtig es ist, sich zu vernetzen, sich Halt zu geben, eine Plattform zu bieten, ganz spezifische Belange eines „anders sein“ leben zu können.

Als ich die Telekom verließ initiierte ich die Wanderlotten, eine LGBTIQ- Wandergruppe, die seit 2011 durch Wald und Flur streift und ein großes Angebot mit sich bringt, Schönes in Bonn und Umgebung mit Gleichgesinnten und Wohlgesonnenen zu erleben.

Heute schreibe ich hier für r(h)einqueer Bonn e.V. und bin dankbar, dass ein Verein in Bonn aktiv wird, für die Community förmlich offeriert: sich zu leben. Weil genau das wichtig ist. Der Mensch ist durch Begegnungen mit anderen, durch Austausch und Hilfe, durch Akzeptanz und Anerkennung, durch gemeinsames Erleben lebendig. Der Mensch ist nicht ein Begriff im Duden, sondern einzigartig und vielfältig und die Stadt Bonn wird durch r(h)einqueer einen neuen Schub in eine Richtung des toleranten Lebens in Deutschland erfahren. Darauf kann Bonn stolz sein.

Ich bin mir sicher, dass bei allem gesellschaftlichen Wandel, der momentan geschieht, r(h)einqueer Bonn e.V. und die Bonner Community es zum richtigen Zeitpunkt schafft, ein starkes Signal für ein tolerantes Leben in der Stadt zu setzen.

Auch in Bonn „geht was“, wenn man miteinander was bewegt.

U. Zielonkowski